Tag 4
Das ’Dienstlich’-Regelwerk

Seitdem das Offizierskasino wieder geöffnet hatte, hatten beide Teams immer gemeinsam gegessen und waren auch vollzählig vertreten. Ich empfand das als sehr positiv, da niemand von uns als Klon enttarnt und von den Gelben eingesperrt wurde. Diesen Morgen aber fehlte jemand am Frühstückstisch.

Ich war aber überzeugt, dass niemand zumindest aus meinem Team ein Klon war, dazu waren wir viel zu eng und eigentlich auch immer zusammen, und das auch schon seit längerer Zeit. Besonders Pepe hätte auch Verhaltensänderungen bei uns sofort erkannt und Pepe selbst konnte man nach meiner Meinung nur schlecht im Verhalten »nachbauen«. Kannte und verstand der außerirdische Gegner überhaupt so etwas wie Autismus? Zumindest mir würde ein veränderter Pepe sofort auffallen. Gerüchten zufolge war jemand auch erst nach einer Abwesenheit von mehreren Tagen als Klon wieder aufgetaucht – wir hier aber redeten von lediglich ein paar Stunden, in denen zum Beispiel Pepe und Eric beim Nachschub waren. Eric, ja genau, Eric fehlte.

»Wo ist Eric?«, fragte ich in die Runde.

Dmitri antwortete: »Der ist schon vorgegangen. Die ersten Flugschreiber sind da.« 

»Halt!«, rief Paula. »Dmitri, das war dienstlich!« 

Sofort erhob Dmitri lauten Protest. Ich rief ihn zur Ruhe und meinte, dass wir erst einmal Paulas Begründung anhören sollten.

Wir hatten nämlich vor einiger Zeit beschlossen, bei gemeinsamen Mahlzeiten oder Freizeitaktivitäten außerhalb unseres eigentlichen Arbeitsplatzes nichts Dienstliches mehr zu erwähnen, also Themen, die direkt unsere Datenanalysen betrafen. Mit der Zeit hatten wir hierzu ein kleines Regelwerk entwickelt. Wer etwas Dienstliches sagte, wo es nicht erlaubt war, und es den Regeln entsprach, dass ein Punkt vergeben werden konnte, bekam diesen Punkt.

Paulas Begründung hörte sich recht schlüssig an. Dmitri hatte auf meine Frage nach Eric geantwortet, dass dieser schon vorgegangen war. Diese Aussage war an sich neutral und noch nicht punktewürdig. Er hatte jedoch ergänzt »die ersten Flugschreiber sind da«, und dies betraf Paulas Meinung nach direkt unsere Arbeit.

Paula meinte: »Ich bin dafür, Dmitri einen Punkt zu geben.« 

Tanya schaute mich mit großen Augen an und ich sagte leise zu ihr, dass ich es später erklären würde.

Ich hob nun meinerseits die Hand und sagte: »Einen Punkt für Dmitri. Wer ist dafür?« 

Paula und Pepe hoben ihre Hände. Es entsprach alles den Regeln und so bekam Dmitri den Punkt zugeschrieben.

»Paula, du bist eine ganz, ganz kleinliche Wortklauberin!«, fluchte Dmitri.

Pepe war unser unbestechlicher Punktezähler und er verkündete den aktuellen Punktestand.

»Spitzenreiter ist weiterhin Max mit einhundertzweiundfünfzig Punkten.« 

Als Chef der Datenanalysegruppe musste ich nun einmal auch außerhalb unseres Arbeitsplatzes dienstliche Dinge besprechen. Mir eine Art Chef-Rabatt oder Chef-Freipunkte zu geben, hatten die anderen mit nur einer Gegenstimme, nämlich meiner, aber abgelehnt.

»Es folgt Eric mit einhundertundeinundzwanzig Punkten.« 

Eric hatte nur zwei Themen, entweder epische Lobeshymnen über irgendwelche genialen technischen Geräte oder ebenso endlose Hasstiraden über »totalen Schrott«. Da er hiermit allen furchtbar auf die Nerven ging, wurde vom Team gegen Erics Gegenstimme beschlossen, dies ebenfalls als »dienstlich« zu klassifizieren. Da er leider nicht immer den Mund halten konnte, kam er mir punktemäßig immer näher und hatte mich schon fast eingeholt.

»Dmitri: siebenundneunzig alt, achtundneunzig neu.« 

Paula jubelte: »Haha, die Hundert packen wir auch noch!« 

Das war aber immer noch über fünfzig Punkte von mir entfernt.

»Paula: fünfundachtzig. Pepe: fünfzehn.« 

»Du schummelst!«, rief Dmitri. »Du zählst ja auch die Punkte!« 

Ich meinte, Tanya etwas von »wie kleine Kinder« murmeln zu hören.

Pepe redete aber tatsächlich nicht sehr viel. Entweder sortierte er sein Essen oder schaufelte es wortlos in sich hinein. Sein sehr niedriger Punktestand war durchaus korrekt.

Uhrzeit: 0820 WPCT

Auf dem Weg vom Offizierskasino zum Konferenzraum erläuterte ich Tanya und Sean ein wenig unser »Dienstlich«-Regelwerk.

»Ich konnte mir zwar schon denken«, meinte Tanya, »dass es damit zu tun hat, im eher privaten Rahmen möglichst nichts Dienstliches zu besprechen – aber dass es so kompliziert gestaltet ist, hatte ich nicht erwartet.« 

»Wir sind nun einmal Wissenschaftler und Zahlenakrobaten«, rechtfertigte ich mich.

Vollends verwirrt waren beide dann, als ich ihnen sagte, dass ich es mittlerweile gezielt zur Personalführung einsetzte.

»Beim Militär ist es recht einfach: Kraft eines Dienstranges kann man die Untergebenen notfalls per Befehl führen.« 

Beide zeigte zustimmendes Nicken.

»Hier haben wir es einerseits mit Zivilisten zu tun und andererseits aber auch mit teilweise recht dickköpfigen Wissenschaftlern«, fuhr ich fort. »Erstens: wir lernen so, uns ein wenig von der Arbeit zu lösen und werden so nicht zu kompletten Fachidioten – falls wir die nicht sowieso schon sind. Aber zweitens: damit zwinge ich sie, einander genau zuzuhören, da nehme ich den Punktespitzenreiter gerne in Kauf.« 

Sean war beeindruckt. »So etwas lernt man aber nicht wirklich auf Personalführungsschulungen«, stellte er fest.

Ich musste zugeben, dass es sich es in dieser Ausprägung mit der Zeit eher zufällig ergeben hatte.

Zum Abschluss konnte ich mir einen Kalauer nicht verkneifen: »Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist hier in der Praxis etwas größer als in der Theorie.« 

Wie erwartet, zeigte Tanya wieder einmal ihre Grübchen.

Uhrzeit: 1030 WPCT

Eric hatte den eigentlich recht schön aufgeräumten Konferenzraum in ein geordnetes Chaos verwandelt und war dabei, Flugschreiber aus großen Gitterboxen zu nehmen und anzuschauen.

»So viele Flugschreiber?«, fragte Tanya 

Ich nickte. Mit dieser Menge hatte ich nicht gerechnet.

Kaum hatte ich mir einen Überblick beschafft, brach wieder einmal Unruhe aus, denn noch weitere Flugschreiber wurden angeliefert. Der Nachschub hatte wirklich schnell gearbeitet, und so standen im Raum des Taktik-Teams mehrere Gitterboxen mit leuchtend orange lackierten Flugschreibern. Eric drückte mir im Vorbeigehen zwei EP mit Lieferlisten in die Hand, welche ich gleich an Sean weiterreichte.

»Max, die haben wirklich gute Arbeit geleistet«, stellte Eric fest, »das ist mehr, als ich jemals gedacht hatte.« 

In einer weiteren Kiste befanden sich die Lesegeräte für die uns noch fehlenden Flugschreibertypen, eines besaßen wir ja schon. Eric begann, auf einem Tisch an der Rückwand des Konferenzraums neben dem schon fertig verkabelten Lesegerät die anderen Flugschreiberlesegeräte aufzubauen. Jeweils zwei Lesegeräte wurden mit einem Pad-Rechner verbunden, das war Erics Ansicht nach vollkommen ausreichend.

»Die kleinen Rechner haben genug Schmackes, um auch zwei Flugschreiber gleichzeitig auslesen zu können«, meinte er.

Bald besaßen wir zunächst einmal genügend Rohmaterial, um dem Taktik-Team eine ausreichende Datenbasis für ihre Taktikanalysen liefern zu können. Es war abzusehen, dass besonders Eric den Rest des Tages mit dem Auslesen der Flugschreiberdaten beschäftigt sein würde. Dmitri wollte eigentlich lieber die nächsten Tage in seinem Quartier bleiben, um die Analyse-Software für die Flugschreiberdaten in Ruhe zu entwickeln. Ich dagegen sah es als besser an, wenn das Team zusammen bleibt, und griff nach Rücksprache mit Tanya zu einem kleinen Trick, indem ich ihm Liz als Expertin für Flugmanöver zur Seite stellte. Beide setzten sich an eine Arbeitsstation in die hinterste Ecke des Konferenzraums.

Weil uns keine neuen Daten zur Auswertung bereitstanden und alle mit dem Auslesen der Flugschreiberdaten beschäftigt waren, konnte ich endlich eine Sache angehen, die ich schon lange vor mir her geschoben hatte. Mir war nämlich an den Klonen etwas aufgefallen, was ich detaillierter überprüfen wollte.

Leider kam ich nicht mehr dazu, denn wir mussten das Taktik-Team mit seinen Flugschreibern schnell wieder alleine lassen, weil ein Schiff im Orbit eine Nachricht des Gegners aufgefangen hatte. Sie konnten aber nicht mehr genau ermitteln, woher die Nachricht gesendet wurde. Es gab nur eine grobe Richtungsangabe, nämlich irgendwo von der Oberfläche des Wasserplaneten. Diese Information ließ mich kurz erstarren und leicht frösteln, aber Eric unterbrach mich.

»Die sendeten von hier aus?«, fragte er.

Ich antwortete: »Damit beschäftigen wir uns später. Wichtig ist jetzt erst einmal der Inhalt.« 

»Aye aye, Boss!« 

Die Dekodierung einer Nachricht des Gegners war für uns schon eingespielte Routine geworden, und zu unser großen Erleichterung hatte sich am Format der Nachricht gegenüber den anderen von uns dekodierten Nachrichten nichts geändert. Es gab zwei Teile, einen kürzeren und ein sehr viel längeren. Der kürzere Teil wurde von unser frisch aufgerüsteten Hardware – hierzu hatten wir vorübergehend beide Tische nebst Rechnern zusammen geschaltet – zügig dekodiert und wir konnten mit der Analyse beginnen. Für die Dekodierung des längeren Teils würden die Rechner aber dennoch bis spät in den Abend brauchen, so dass ich die Aufgaben neu verteilen konnte.

Dmitri und Pepe kümmerten sich um die Datenanalyse des kürzeren Nachrichtenteils. Eric hatte ich erneut dem Taktik-Team ausgeliehen, um beim Auslesen der Flugschreiber zu helfen. Somit waren Paula und ich wieder von anderen Aufgaben entbunden und ich konnte mich endlich mit den Klonen beschäftigen.

Ich setzte mich neben sie und sagte leise: »Paula, gib mir alles an Videomaterial, was du über Klon-Vorfälle findest. Ich möchte nur Ausschnitte von den Händen der Klone sehen. Und noch etwas: schaue auf keinen Fall den Wachsoldaten ganz links an, wenn du mit mir sprichst.« 

Eines hatte sie in den Jahren gelernt, in denen wir schon zusammenarbeiten, nämlich dass sie, wenn ich mit einem solchen Ansinnen an sie herantrat, keine überflüssigen Fragen stellte und meinen Anweisungen unwidersprochen Folge leistete. Sie nickte und ihre Hände begannen, auf den drei vor ihr liegenden Pad-Rechnern umherzuwirbeln.

»Das braucht aber ein paar Minuten«, meinte sie.

Ich stand auf, klopfte auf ihre Schulter und ging in den Nachbarraum, um beim Taktik-Team vorbeizuschauen.

Dort waren die Flugschreiber je nach Typ auf drei verschiedene Stapel verteilt worden. Diese Stapel wurden kleiner, während sich die Gitterboxen wieder füllten. Der Rohdatenbestand wuchs langsam, aber stetig und die erste Version von Dmitris Auswertungsprogramm konnte mit richtigen Daten seine ersten Testläufe absolvieren.

Als ich wieder zu Paula zurückkehrte, saß sie mit blassem Gesicht da und schaute mich mit großen Augen an. Offensichtlich hatte sie etwas entdeckt, was sie erheblich zu beunruhigen schien. Eigentlich wollte ich aber meinen Verdacht nicht wirklich bestätigt sehen.

»Max, was ist hier los?«, fragte sie tonlos.

Sie hatte diverse Videosequenzen zusammengefügt. Alle zeigten vor allem rhythmisch pulsierende Handballen. Mir lief es kalt den Rücken herunter, als ich erkannte, dass dies nicht nur bei den Personen der Fall war, die mit dem Taser unschädlich gemacht wurden, sondern auch zum Beispiel bei daneben stehenden Soldaten. Genau so einen Soldaten hatte ich im Verdacht, nämlich einen der Wachsoldaten, die sich bei uns in den Konferenzräumen aufhielten. Der erste Teil meines Plans war, dass Paula eine Überwachungskamera, die an dem Wänden unseres Raumes angebracht waren, auf den Wachsoldaten richten sollte. Dazu brauchten wir aber ein Ablenkungsmanöver, denn der mutmaßliche Klon durfte auf keinen Fall hören oder sehen, wie die Kamera auf ihn gerichtet wurde. Paula hatte wieder ihre normale Gesichtsfarbe bekommen und meinte, dass sie eine Idee hätte.

Zunächst aber schauten wir mit den Überwachungskameras im Nachbarraum nach, fanden zu unser Erleichterung beim Taktik-Team und auch bei Eric keine pulsierenden Handballen. Außerdem konnte mich Paula so kurz in die Bedienung der Kontrollsoftware für die Überwachungskameras einweisen.

»Ihr seid auffallend oft zusammen, du und deine neuen Freundin, Major STROA-Oberweite«, sagte sie und richtete den Zoom der Kamera auf Tanyas Oberkörper.

Damit hatte sie, absichtlich oder unabsichtlich, einen wunden Punkt getroffen. Sofort musste ich an Tanya in Unterwäsche denken und ich befürchtete, rot anzulaufen.

Ich erwiderte in genau der Lautstärke, dass lediglich der Wachsoldat es mithören konnte: »Wir arbeiten zusammen, sie wohnt nebenan – und sie ist nicht meine neue Freundin!« 

Paula schaute mich halb verärgert, halb belustigt an.

»Wie geht denn hier das Bild wieder weg?«, fuhr ich fort.

Dabei drückte ich »versehentlich« auf ein Bedienelement der Kontrollsoftware und der Wachsoldat kam ins Bild. Alle schauten kurz auf, aber wandten sich sofort wieder ihrer Arbeit zu. Auch der Wachsoldat widmete sich wieder dem im-Raum-Umherstarren. Das Ablenkungsmanöver war offensichtlich geglückt.

»Oh nein, er auch?«, fragte Paula leise und sie wurde wieder blasser.

Deutlich war zu erkennen, dass der neben dem Kühlschrank stehende Wachsoldat einen rhythmisch pulsierenden Handballen an die Wand hielt. Jetzt wurde mir einiges klar.

»So kommunizieren sie«, stellte ich fest. »Da ist nichts Esoterisches dabei, wie Telepathie oder so.« 

Ich erläuterte ihr den zweiten Teil meines Plans, den Klon unschädlich zu machen. Dabei sollte sie erneut eine zentrale Rolle spielen. Außerdem bat ich sie, den aktuellen Geheimdienst- oder Klonpolizeibericht über die Klone zu besorgen.

Paula fragte: »Warum ich?« 

»Das mit ›Major Oberweite‹ war gemein!«, rechtfertigte ich mich.

Ich nahm meinen Taser aus dem Halfter und steckte ihn ihr in den Hosenbund, so dass sie kurz zusammenzuckte. Mit einer finsteren Miene stand sie auf, ging zum Kühlschrank, öffnete ihn und nahm hinter der offenen Kühlschranktür den Taser in die Hand.

Sie rief: »Tomate-Mozzarella-Sandwich ist nicht mehr da!« 

Das war der vereinbarte Satz, dass der Taser entsichert und betriebsbereit war. Ich ging zu den anderen, um mich nach dem Stand der Auswertung der kürzeren Nachricht zu erkundigen.

Dmitri meinte: »Das Ganze sieht eigentlich aus wie immer, aber das Zeug ist teilweise vollkommen anders aufgebaut im Vergleich zu den anderen Nachrichten, die wir bisher analysiert hatten.« 

»Paula, jetzt!«, brüllte ich unvermittelt, so dass Pepe zusammenzuckte.

Mit einem spitzen Schrei stieß Paula die Kühlschranktür zu, nahm den Wachsoldaten ins Visier und drückte ab. Der vom Stromstoß getroffene Klon brach mit einem Heulen zusammen.

»Draußen auf dem Gang muss noch einer sein! Schnappt ihn euch!«, rief ich in Richtung des großen Wachsoldaten, der neben der Tür stand.

Die zwei verbliebenen Wachsoldaten reagierten zum Glück richtig, nahmen ihre Taser in die Hand und hechteten durch die Tür. Das Taktik-Team aus dem Nachbarraum kam mit Waffen und Tasern in der Hand durch die Verbindungstür gelaufen. Kurze Zeit später hörte ich wieder das charakteristische Heulen.

Ich bemerkte, dass Paula zitternd auf dem Boden kauerte, und klopfte Dmitri auf die Schulter.

»Kümmer’ dich um die Kleine!« 

»Was zur Hölle…? Max, hast du sie nicht mehr alle?«, schimpfte Dmitri und steckte seinen Taser wieder in das Halfter zurück.

Der große Wachsoldat kam wieder zur Tür herein und nickte.

Ich zeigte auf den am Boden liegenden Klon und befahl: »Binden Sie seine Hände so zusammen, dass die Handballen fest aneinander gepresst werden, und machen Sie das bei dem Klon draußen auf dem Gang auch!« 

Der Wachsoldat nahm mehrere von diesen breiten Handschellen-Kabelbindern aus seiner Jackentasche und band die Hände des Klons fest zusammen. Ich musste mich erst einmal setzen und ließ mich auf den nächstbesten Stuhl fallen. Mein Plan hatte funktioniert. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Dmitri mit Paula im Arm auf einem der großen Sessel Platz genommen hatte.

Tanya fragte erstaunt: »Zwei Klone? Und auch noch hier direkt bei uns? Wie habt ihr sie erkannt?« 

»Ich glaube zu wissen, wie sie kommunizieren«, meinte ich. »Über die Handballen. Das erkläre ich später.« 

Ich wandte mich an Pepe und fragte ihn, wo genau an der Wand des Konferenzraums der Klon gestanden hatte. Eric schaute mich fragend an.

»Du meinst, er hat durch die Wand mit seinem Partner auf dem Korridor kommuniziert und der hat es dann weitergeleitet?«, fragte er.

Ich nickte. Gemeinsam gingen wir auf den Korridor hinaus. Pepe maß genau drei Meter fünfundfünfzig ab – auch dies hatte er sich gemerkt – und Eric stellte sich an die Stelle. Die Wachsoldaten hatten berichtet, dass außer dem Klon sich keine weitere Person auf dem Korridor aufgehalten hatte.

Eric hielt seine Hand an die Wand und bewegte den Handballen.

»Er nimmt die Informationen vom Konferenzraum auf, zuck-zuck-zuck-zuck, und leitet sie dann weiter. Aber wie? Datenleitung? Wasserleitung? Stromleitung? Es muss irgend etwas sein, was uns bisher nicht aufgefallen ist.« 

Tanya und ich hatten den gleichen Gedanken und riefen: »Steckdose!« 

Auf der gegenüberliegenden Wand des Korridors befand sich nämlich eine an Schellen befestigte Stromleitung, die von der Decke herab führte und in einer Steckdose endete.

»Nein, nein, nein!«, rief Paula. »Ich habe auf den Videoaufzeichnungen keinen einzigen Klon gesehen, der seine Finger in eine Steckdose gesteckt hat!« 

Eric entwickelte die Theorie, dass die Klone ihre Informationen über das Stromleitungsnetz weitertransportierten. Die Informationsimpulse konnten dabei zum Beispiel als hochfrequente Oberwellen den Wechselstrom überlagern. Dabei mussten die Klone seiner Ansicht nach auch nicht unbedingt die Finger in eine Steckdose stecken; es konnte wohl ausreichen, nur in der Nähe einer Stromleitung zu sein. Er machte den Vorschlag, sämtliche Daten von Messzählern, Verteilern oder ähnlichen Geräten des Stromleitungsnetzes auf solche Oberwellen oder andere Anomalien zu untersuchen.

Wir gingen wieder zurück in den Konferenzraumund Paula versuchte, an diese Daten zu gelangen.

»Sie wissen wahrscheinlich alles über uns!«, sagte Tanya. »Ihr wisst jetzt, wie man sie eindeutig erkennen kann. Wir müssen sie schnellstens unschädlich machen!« 

Ich entgegnete: »Nein, wir müssen das noch ein wenig unter der Decke halten! Sobald die Klone mitbekommen, dass wir wissen, wie sie kommunizieren und wie man sie erkennen kann, schalten sie auf Funkstille oder womöglich auf eine andere uns unbekannte Kommunikationsart und wir kommen nie mehr so gut an sie heran!« 

»Also gibt es jetzt erst einmal keinen van-Eych-Alarm?«, fragte sie.

»Noch nicht, zuerst müssen wir den Sender finden und ausschalten – sie haben ja eine Nachricht an ihre Flotte von hier aus versandt.« 

»Ich verstehe«, meinte Tanya. »Also halten wird zunächst einmal Funkstille.« 

Ich nickte, wandte mich an den großen Wachsoldaten und sagte: »Das gilt auch für euch.« 

Der große Wachsoldat kam auf uns zu und schaute Tanya an, da er offenbar von mir nicht noch weitere Befehle entgegennehmen wollte.

»Major?« 

»Halten Sie das Ganze erst einmal unter dem Radar, so wie der Professor es gesagt hat.« 

»Aye aye, Ma’am. Ich muss aber irgend etwas in meinen Wachbericht schreiben. Können Sie mir da helfen?« 

Natürlich konnten wir ihm helfen, wir besaßen ja schließlich eine Spezialistin für das Berichteschreiben. Paula hatte in kürzester Zeit alle verfügbaren Daten von allen möglichen Geräten des Stromleitungsnetzes zusammengestellt, so dass Pepe und Dmitri sich an die Auswertung machen konnten. Dem großen Wachsoldaten wies ich an, sich vor Paulas Arbeitsplatz hinzusetzen und Paula setzte sich neben ihn. Er nahm ein EP mit dem Formular für den Wachbericht und gab es Paula.

»Wenn wir einen Klon-Vorfall hatten«, begann er, »müssen wir hier immer die Daten der Klon-Polizei eintragen – und das dauert immer ewig lange. Aber wo ihr doch die Datenbeschaffer und -auswerter seid…« 

Selbstverständlich konnten wir dem Wachsoldaten helfen. Es war vielleicht gar nicht verkehrt, ihn noch mehr auf unserer Seite zu haben. Paula legte das EP auf einen Pad-Rechner und das EP wurde mit dem Rechner synchronisiert. Auf dem daneben liegenden Rechner öffnete sie die sogenannten Gelben Seiten, die Seiten der Klon-Polizei. Das Wachformular verlangte Dienstnummer, Namen, Rang und Einheit des Klons, wenn es sich um einen Militärangehörigen gehandelt hatte, und außerdem die Einsatznummer, unter der die Klon-Polizei den Abtransport führte. Paula suchte auf den Gelben Seiten nach Klon-Vorfällen in unseren Konferenzräumen und wurde schnell fündig.

Als sie das Bild des Klons sah, wurde sie wieder blass.

»D-das ist der, d-den ich getasert hatte?«, stammelte sie.

Eine große Hand legte sich auf ihre Schulter.

Der Wachsoldat sagte: »Das war sehr tapfer, junge Dame!« 

Paula schaute mich an. Ich griff auf den Pad-Rechner und schaltete die Bildansicht aus.

»Mach’ so etwas nie wieder mit mir, Max!«, sagte sie.

Ich entgegnete: »Versprochen! Und du sagst nie wieder ›Oberweite‹!« 

»Versprochen!« 

Sie kopierte die Daten auf das Wachformular und nach nicht einmal drei Minuten war alles erledigt. Ein sehr glücklicher und erleichterter Wachsoldat bekam sein EP zurück.

»Wissen Sie, Professor, weil wir keinen direkten Zugang zu den Gelben Seiten haben, dauert das sonst ewig und ich bekomme einen Anschiss von meinem Vorgesetzten!« 

Ich machte ihm ein Angebot: »Falls Sie wieder einmal nicht wissen, was Sie in Ihr Formular schreiben sollen, können Sie jederzeit zu uns kommen.« 

Der Wachsoldat bedankte sich und ging wieder auf seinen Posten.

Dmitri meldete, dass die Dekodierung des längeren Teils der abgefangenen Nachricht fast beendet sei und wir mit der Datenanalyse beginnen konnte. Die Lokalisierung des Senders der Klone hatte jetzt aber Vorrang und es war wieder recht spät geworden. So beschloss ich, dass wir erst einmal warten konnten, bis die Software ihre Verarbeitung abgeschlossen hatte, und wir ausgeruht am nächsten Tag weiter machen sollten.

Uhrzeit: 2905 WPCT

Nach dem im Offizierskasino eingenommenen Abendessen – es gab sogar noch ein kleines Essensangebot eine Stunde vor Mitternacht – zogen wir in unsere Quartiere zurück.

Eine Viertelstunde, nachdem ich mit Tanya nach dem üblichen Versteckspiel in unserem Quartier angekommen war, klopfte es plötzlich an der Tür.

»Wer ist denn das jetzt noch um diese Zeit?«, fragte Tanya.

Ich schaute durch den Spion und meinte: »Paula. Sie können wir doch wohl hereinlassen? Sie hält dicht, versprochen.« 

Tanya nickte und ich öffnete die Tür.

Paula kam herein und hielt ein EP in der Hand.

»Oh, hallo!«, sagte sie, als sie Tanya erblickte.

Sie hielt inne und betrachtete Tanya von Kopf bis Fuß. Es war wieder recht warm und so trug Tanya lediglich Tanktop und Boxershorts. Für Paula was dies sicherlich ein sehr ungewohnter Anblick, hatte sie Tanya doch bisher nur in Uniform gesehen.

»Das ist wohl nicht wirklich ein dienstlicher Besuch…?«, fragte Paula.

»Nein«, antwortete Tanya überraschend ehrlich.

Paula hielt erneut inne.

Dann begann das übliche Kreuzverhör, das immer dann stattfand, wenn Paula mich im Verdacht hatte, eine neue Beziehung anfangen zu wollen. Sie sah es seit meiner Scheidung als ihre Lebensaufgabe an, mich vor »bösen Frauen« beschützen zu wollen.

»Moment mal: Ihr wohnt zusammen? Ist das nicht gegen die Vorschriften?« 

»Ja, wir teilen dieses Quartier. Ich bin Zivilangestellter, da kann man die Vorschriften etwas großzügiger auslegen.« 

»Seit wann?« 

»Eigentlich seit dem ersten Tag. Du weißt doch, die Geschichte mit den vertauschten Vornamen.« 

Das Kreuzverhör wurde in den nächsten Gang geschaltet.

»Hattet ihr schon einmal Sex miteinander?« 

»Nein!«, antworteten Tanya und ich gleichzeitig.

Ich hatte jetzt sofort ein anschließendes »warum nicht?« erwartet, aber es kam anders.

»Hast du sie wenigstens schon einmal nackt gesehen?« 

»Nur Unterwäsche.« 

»Habt ihr euch dann wenigstens schon einmal geküsst?« 

»Nur Gutenachtkuss.« 

»Auf die Wange!«, ergänzte Tanya.

»Sonst nichts?« 

»Sonst nichts!« 

Das Mädchen stand jetzt vor uns, hatte ihre Hände in die Hüften gestützt und schaute uns abwechselnd an.

»Hört ’mal zu! Ihr seid echt das heißeste Traumpaar seit Gründung der Raumflotte – und ihr hattet noch nichts miteinander?« 

Ich rechtfertigte mich mit – warum musste ich mich eigentlich vor der Kleinen rechtfertigen? – »Viel Arbeit!« 

»Ja, viel Arbeit«, bestätigte Tanya.

Paula nahm Tanyas rechte Hand und drückte sie fest.

»Ich weiß, dass du nicht die böse Schwarze Witwe bist, die das Männchen nach dem Akt auffrisst. Also meinen Segen habt ihr.« 

Die »böse Schwarze Witwe« war eindeutig zu viel. Jetzt musste schnellstens ein Themawechsel her.

Ich fragte: »Was ist eigentlich auf dem EP, was du mir unbedingt persönlich bringen wolltest?« 

Auf dem EP befand der aktuelle Geheimdienstbericht zu den Klonen, den Paula mir nicht über das Netz zusenden wollte.

Sie ließ Tanyas Hand los, reichte mir das EP, verabschiedete sich und ging.

Tanya marschierte kopfschüttelnd und mit finsterem Gesichtsausdruck ins Badezimmer. Wenig später rauschte die Toilettenspülung.

Ich hörte Tanya im Badezimmer leise fluchen, nahm es aber nur am Rande zur Kenntnis. Bevor ich mich um sie kümmern konnte, wollte erst einmal die Unterlagen ansehen, die Paula mitgebracht hatte.

In das Dossier war immerhin etwas Aktuelles aufgenommen worden, nämlich ein Abschnitt mit einer Statistik zu den Dienstgraden derjenigen Soldaten, die geklont worden waren. So wie es aussah, hatte der Gegner erst mit niederen Dienstgraden begonnen und sich dann langsam hochgearbeitet. Nur bis zu den ganz hohen Dienstgraden waren sie bisher noch nicht gekommen – hier würde es wahrscheinlich schnell auffallen, wenn ein General oder Admiral verschwinden und dann einige Zeit später einfach wieder auftauchen sollte. Es folgte eine detaillierte Auflistung der Klone, aber die langen Listen mit Sergeant XY, Einheit Z überflog ich nur kurz. Einzig der Kampfpilot, der eigentlich uns zugeteilt werden sollte, stach vom Rang heraus. Insgesamt war die schiere Anzahl bemerkenswert, vor allem da wir noch immer keine Erkenntnisse darüber hatten, wie die Klone tatsächlich »hergestellt« wurden und wo und in welchem Zustand sich die »Originale« befanden. Ein kleiner Nachsatz zu einer möglichen Dunkelziffer ließ mich dann noch etwas mehr frösteln.

Nachdem ich den nicht sehr inhaltsvollen Geheimdienstbericht vollständig durchgelesen hatte, kam ich zu der Erkenntnis, dass die Experten keinerlei neue Erkenntnisse zu den Klonen gewonnen hatten. Dies betraf sowohl die Wege der Infiltration unseres Militärs – und wahrscheinlich auch von zivilen Organisationen –, als auch die Kommunikation der Klone untereinander.

So wie es aussah, hatten mein Team und ich eine bahnbrechende Entdeckung gemacht. Ich würde also wieder einmal im Rampenlicht stehen und irgendwelche Medaillen oder Orden umgehängt bekommen. Solche Veranstaltungen mochte ich eigentlich gar nicht, ich war allerdings auch nicht ganz unschuldig – was musste ich mir auch ausgerechnet dieses Forschungsgebiet aussuchen… 

Tanya war weiterhin über irgend etwas unzufrieden, daher beschloss ich nachzusehen. Ich hoffte nur, dass es nichts mit Paulas Auftritt von eben zu tun hatte. Jede Reaktion von mir konnte jetzt fatale Auswirkungen haben; ich sah am Horizont schon mehrere große Fettnäpfe auf mich zufliegen.

Als ich das Badezimmer betrat, traf mich fast der Schlag. Tanya stand barbusig vor dem Spiegel und die Rotationsgeschwindigkeit meines Mageninhalts erhöhte sich schlagartig.

»Du findest mich nicht attraktiv, oder?«, grummelte sie. »Eigentlich hast du ja Recht, ich sehe ja auch aus wie so eine hässliche Tonne mit so einem riesengroßen Busen!« 

Es hatte also doch etwas mit Paulas Auftritt zu tun. Mein erster Gedanke war, dass Planeten mit erhöhter Schwerkraft nun einmal nicht unbedingt der Damenwelt mit etwas ausgeprägteren Körperteilen entgegenkamen. Und erst die variable Schwerkraft hier, wenn die Monde entsprechend standen… So etwas sagte man natürlich nicht laut, da wäre ich mit Anlauf und Schwung im ersten Fettnapf gelandet. Ich musste mir also genau überlegen, was ich ihr nun antworten wollte und musste eine Fettnapf-Vermeidungsstrategie also halbwegs wissenschaftlich angehen.

Es gab zwei Alternativen, wie sie reagieren konnte, und beide hatten so ihre Vor- und Nachteile.

Zum Einen würde ich wahrscheinlich eine saftige Ohrfeige verpasst bekommen und wir würden dann nur noch das unbedingt dienstlich Notwendige miteinander reden, sie würde aus dem Quartier ausziehen oder mich hinauswerfen und die Stimmung wäre vergiftet. Das Ganze war außerdem nicht ganz ungefährlich, da sie einen recht kräftigen Händedruck hatte und sie sich mir allgemein als gut durchtrainiert darstellte. Die Eiserne Baker kam ja nicht von ungefähr. Auf der Habenseite konnte ich immerhin verbuchen, dass ich dann den, wie hieß es, STROA-Platz-Eins schon einmal »oben ohne« gesehen hatte, live und ungefiltert.

Zum Anderen konnten wir auch einfach schnurstracks im Bett landen.

Es gab also eine leichte Tendenz zu »Win-Win«. Einen Versuch war es wert.

Ich stellte mich daher hinter sie, legte meine Hände auf ihre Schultern und schaute sie im Spiegel an. Keine Abwehrreaktion – das war schon einmal für den Anfang ganz gut.

»Meine liebe, große, starke, schöne Frau«, begann ich. »Erstens: Natürlich hast du Vorfahren aus Afrika, so wie ich von wilden skandinavischen Seefahrern abstamme. Daher siehst du genau so aus, wie du bist, und ich bin klassisch blond und blauäugig. Das ist unsere Herkunft, die können wir nicht ändern.« 

Ich ließ meine Hände langsam von den Schultern herunter rutschen, umfasste ihre Brüste und drückte diese. Soweit ich es ertasten konnte, schien alles echt zu sein. Tanya schaute mich im Spiegel mit großen Augen an. Wieder gab es keine Abwehrreaktion; ich bildete mir sogar ein, dass sie sich etwas an mich drückte.

»Zweitens, meine liebe, große, starke, schöne Frau, falls du es noch nicht weißt: es soll Männer geben, die nicht auf junge dürre Blondchen stehen.« 

Immer noch hatte sie kein Wort gesagt, nur ihre Augen füllten sich immer stärker mit Tränen, wie ich im Spiegel erkennen konnte.

»Und schließlich drittens, meine liebe, große, starke, schöne Frau, selbstverständlich finde ich dich attraktiv, sehr sogar. Ich wollte es langsam angehen. Wir können ja schließlich nicht wie Teenager bei der erstbesten Gelegenheit übereinander herfallen.« 

Ich gab ihr einen schmatzenden Kuss auf die Schulter. Im Spiegel sah ich, wie auf ihrer linken Wange eine große Träne herunter lief.

Ich konnte es einfach nicht fassen, hatte ich es doch erfolgreich geschafft, dass die »Eiserne Baker« weinte. Beziehungen waren irgendwie nicht mein Spezialgebiet… 

Natürlich hatte ich die Alternative drei nicht berücksichtigt, eine weinende Frau. Hierfür gab es aber eine Lösung und ich tat einfach das, was bei Paula immer zum Erfolg geführt hatte, nämlich in den Arm nehmen, nichts sagen und einfach sich ausweinen lassen. Langsam nahm ich meine Hände von Tanyas Brüsten, griff sanft ihre Schultern, drehte sie zu mir um, wischte ihr die Träne von der Wange und umarmte sie.

»Das ist das Schönste, was jemand seit langer Zeit zu mir gesagt hat«, hauchte sie mir ins Ohr.

Sie löste die Umarmung etwas und schaute mir in die Augen.

»Das war sehr lieb von dir – euch«, fuhr sie fort. »Zuerst war ich ja furchtbar sauer auf Paula, aber jetzt finde ich es total süß, wie sie sich um dich und auch um mich sorgt.« 

»Paula meint, mir etwas zurückgeben zu müssen, weil ich sie ja auch beschütze.« 

»Jetzt bin ich aber da. Küss’ mich!«, sagte sie.

Sie presste ihre wegen der Tränen leicht salzig schmeckenden Lippen auf meine. Nach einem leidenschaftlichen Zungenkuss löste sie sich von mir, nahm meine Hände und führte mich in ihr Bett.

Als wir später nackt und völlig durchgeschwitzt nebeneinander lagen, zog ich Bilanz. Es war der erste »richtige« Sex nach meiner Scheidung gewesen.

Daher fragte ich sie: »Wann hast du das letzte mal Sex gehabt? Also richtigen, nicht sich vor einem Pornofilm einen abwedeln. Gib’s zu, ihr Frauen macht so etwas auch!« 

Sie zeigte endlich wieder ihre Lachgrübchen, prustete los und gab mir dann einen Kuss auf die Wange.

»Ich liebe deine manchmal doch sehr schräge Ausdrucksweise«, meinte sie. »Ja, das ist schon eine Weile her. Der Beruf bringt das so mit sich, weißt du.« 

Der Abend erfuhr sogar noch eine Steigerung, indem Tanya einen Vorschlag machte, den ich nicht ablehnen konnte.

»Ich bin total verschwitzt und mag eigentlich auch nicht gerne nackt schlafen, vor allem wegen der Alarme, wenn man sich schnell anziehen muss. Ich gehe also jetzt duschen. Kommst du mit?« 

Das gemeinsame Duschen war noch einmal eine Steigerung des im Bett Erlebten. Die Duschkabine hatte auch für unsere »Aktivitäten« eine ausreichende Größe, auf einem Raumschiff wäre dies nicht so gegangen.

Uhrzeit: 2945 WPCT

Nachdem wir uns beide frische Kleidung angezogen hatten, lagen wir beide zwar erschöpft, aber trotzdem glücklich und irgendwie erfrischt nebeneinander in meinem Bett.

Tanya ließ nicht locker: »Du stehst ehrlich nicht auf, wie sagtest du, ›junge dürre Blondchen‹?« 

Sie fing also schon wieder mit diesem Thema an. Sehr schlanke blonde und vor allem jüngere Frauen sah sie wohl als ihr Hauptfeindbild an.

»Nein«, antwortete ich. »Nimm’ als Beispiel Liz. Sie ist jünger als du, hat ein sehr hübsches Gesicht, ist intelligent, hat Beine bis zum Hals und dazu passende sehr lange – blonde – Haare. Sie könnte wahrscheinlich auch als Model arbeiten, wenn der Krieg ’mal vorbei ist. Aber blond und blauäugig bin ich selber, wo ist da der Reiz? Außerdem hat sie eine Körbchengröße irgendwo ganz am Anfang des Alphabets, und das ist mir deutlich zu wenig.« 

Erneut zeigte sie ihre Grübchen und stellte die entscheidende Frage.

»Du hattest vorhin etwas von Teenagern gesagt. Wie hieß das bei uns immer: ›Willst du mit mir gehen?‹« 

Selbstverständlich wollte ich mit ihr »gehen«, denn so eine Chance bekam ich nicht noch einmal – schon gar nicht so weitab von der Erde.

Nun wurde es aber Zeit für einen erneuten »Deal«.

Ich begann: »Du weißt ja: Ich bin ein Nerd, ein IT-Freak, ja sogar ein waschechter Professor, der nur Zahlen im Kopf hat. Sollte ich also einmal zu viel ein Nerd-mäßiges Sozialverhalten, also keines, zeigen, darfst du mir ruhig eine scheuern und mich daran erinnern. Genau so etwas hatte schlussendlich zu meiner Scheidung geführt – und ich hätte jetzt aber gerne eine Art Frühwarnsystem. Im Wiederholungsfall darfst du dann gerne auch sofort und ohne weitere Begründung oder Diskussion wieder mit mir Schluss machen.« 

Tanya drehte sich zu mir. Sie zeigte das breiteste Grinsen und die tiefsten Grübchen, die ich je bei ihr gesehen hatte.

»Nun zu dir«, fuhr ich fort. »Für dich gilt das Gleiche. Wenn du also hier im Privaten zu stark einen auf Eisernen Major machst und den Militäroffizier raushängen lässt, bin ich weg.« 

Ich streckte ihr meine rechte Hand entgegen.

»Deal?« 

Sie nahm meine Hand und drückte sie fest.

»Soso, mein Spitzname ist also auch schon zu dir durchgedrungen.« 

»Tanya, so etwas lässt sich wohl in der dann doch recht kleinen Welt der Raumflotte nicht wirklich vermeiden. Zum Glück habe ich dich ja von einer ganz anderen Seite kennengelernt.« 

»Deal, mein Professor-Nerd!«, sagte sie, zog mich an sich und küsste mich.

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